Miteinander im Straßenverkehr
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Miteinander im Straßenverkehr

24.11.25

Miteinander im Straßenverkehr. Im Straßenverkehr geht es nicht nur darum, ob wir technisch gut sichtbar sind – mit Licht, Reflektoren und Signalfarben. Genauso wichtig ist das soziale Sehen und Gesehenwerden: Wahrnehmen, Rücksicht nehmen, Missverständnisse vermeiden. In diesem Beitrag schauen wir auf typische Situationen aus der Sicht von Radfahrer:innen, Fußgänger:innen und Autofahrer:innen – und darauf, warum Solidarität manchmal wichtiger ist als das starre Beharren auf dem eigenen Recht.

Sehen und gesehen werden – mehr als nur Optik

Sehen im Straßenverkehr bedeutet nicht nur: „Ich erkenne ein Objekt.“
Es bedeutet auch:

  • Ich nehme einen Menschen wahr, nicht nur ein Hindernis.
  • Ich versuche zu verstehen, was der andere vermutlich gleich tun wird.
  • Ich signalisiere: „Ich habe dich gesehen“ – zum Beispiel durch Blickkontakt oder Gesten.

Umgekehrt heißt Gesehenwerden auch:

  • Ich mache mein Verhalten vorhersehbar.
  • Ich verschreibe mich nicht nur auf „Ich habe Vorfahrt“, sondern frage: „Kommt der andere sonst in Stress oder in Gefahr?“

Gerade im dichten Verkehr in Kiel oder Kronshagen, an Kreuzungen, Schulwegen oder an viel befahrenen Hauptstraßen, entscheidet dieses soziale Miteinander oft darüber, ob eine Situation ruhig oder brenzlig endet.

Miteinander im Straßenverkehr. Drei Perspektiven: Fahrrad, zu Fuß, Auto

1. Aus Sicht von Radfahrenden

Radfahrer:innen bewegen sich oft in einem Zwischenraum: schneller als Fußgänger:innen, aber verletzlicher als Autofahrer:innen.

Typische Situationen:

  • Eng überholende Autos: Der Radfahrer fühlt sich bedrängt, obwohl der Autofahrer „doch Platz gelassen“ hat.
  • Unaufmerksame Fußgänger auf dem Radweg: Ein kurzer Blick nach hinten oder zur Seite fehlt – plötzlich steht jemand im Weg.
  • Kreuzungen und Einmündungen: Radfahrende werden gerne „übersehen“, wenn Autos abbiegen.

Soziales Sehen bedeutet hier zum Beispiel:

  • Blickkontakt suchen, bevor man eine Kreuzung zügig überquert.
  • Geschwindigkeit bewusst anpassen, wenn Fußgänger:innen unsicher wirken.
  • Klingel sparsam, aber klar einsetzen – als Hinweis, nicht als „Strafsignal“.

2. Aus Sicht von Fußgänger:innen

Zu Fuß ist man am langsamsten unterwegs – und oft auch am verletzlichsten.

Typische Situationen:

  • Querung der Straße „im letzten Moment“, weil man noch schnell rüber möchte.
  • Smartphone in der Hand, Kopfhörer auf, der Blick nicht im Verkehr, sondern im Display.
  • Wechsel zwischen Gehweg und Radweg, ohne bewusst darauf zu achten.

Soziales Gesehenwerden heißt für Fußgänger:innen:

  • Kurz in den Verkehr schauen, bevor man losläuft – nicht nur „aus Gewohnheit rübergehen“.
  • Radfahrende und Autofahrende als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer wahrnehmen, nicht als Störfaktoren.
  • Durch Körperhaltung oder Blick zeigen: „Ich warte, fahr du erst.“

3. Aus Sicht von Autofahrenden

Im Auto hat man viel Schutz – und schnell das Gefühl, „im eigenen Raum“ zu sein.

Typische Situationen:

  • Abbiegen über Radwege, ohne vorher gezielt nach rechts zu schauen.
  • Zu knappes Überholen von Radfahrenden, besonders auf schmalen Straßen.
  • Unruhe und Zeitdruck, etwa auf dem Weg zur Arbeit – die Geduld fehlt.

Soziale Rücksichtnahme bedeutet hier:

  • Sich bewusst machen, dass ein „kurzer Schreckmoment“ für andere lebensgefährlich werden kann.
  • Blickbewegungen erweitern: nicht nur „Auto-Auto“, sondern „Auto-Rad-Fußgänger“ scannen.
  • Fehlverhalten anderer nicht mit Hupen oder Drängeln „bestrafen“, sondern die Situation deeskalieren.

Unachtsamkeit: Kleine Momente, große Wirkung

Viele gefährliche Situationen entstehen nicht aus Absicht, sondern aus kurzen Momenten der Unachtsamkeit:

  • Ein Autofahrer, der beim Abbiegen nur auf den Gegenverkehr achtet, nicht auf den Radweg.
  • Eine Radfahrerin, die im Dunkeln mit Musik im Ohr noch schnell bei Gelb über die Kreuzung fährt.
  • Ein Fußgänger, der kurz zwischen parkenden Autos hervorkommt, ohne wirklich zu schauen.

All diese Situationen haben einen gemeinsamen Kern:
Jemand nimmt zwar den Verkehr wahr, aber nicht als Miteinander von Menschen, sondern eher als „Umgebung“. Das führt zu Missverständnissen – und im schlimmsten Fall zu Unfällen.

Solidarität statt Rechthaberei

Rechte im Straßenverkehr sind wichtig. Sie schaffen Struktur und Klarheit. Aber im Alltag gilt:

Manchmal ist es klüger, auf sein Recht zu verzichten, als auf seiner Vorfahrt zu bestehen und damit alle in Gefahr zu bringen.

Beispiele:

  • Als Radfahrer:in trotz Vorfahrt kurz bremsen, wenn sichtbar ist, dass ein Auto den Radweg vielleicht gleich blockiert.
  • Als Autofahrer:in bei engen Stellen freiwillig warten, obwohl man eigentlich zuerst fahren dürfte.
  • Als Fußgänger:in an einer unübersichtlichen Stelle lieber einen Moment länger warten, statt „knapp noch rüberzulaufen“.

Solidarität heißt:
Ich sehe meine Mitmenschen nicht als Hindernis, sondern als Partner im Verkehr. Ich helfe mit meinem Verhalten mit, dass Situationen entspannt statt gefährlich werden.

Konkrete Tipps für soziales Sehen – je nach Rolle

Für Radfahrer:innen

  • Früher kommunizieren: Handzeichen rechtzeitig geben, nicht im letzten Moment.
  • Geschwindigkeit anpassen, wenn andere unsicher wirken (Kinder, ältere Menschen, Tourist:innen auf der Promenade).
  • Blickkontakt suchen, vor allem beim Queren von Straßen und Einfahrten.
  • Im Zweifel: lieber einmal mehr bremsen als das eigene Recht „durchsetzen“.

Für Fußgänger:innen

  • Kurz den Kopf heben, bevor Sie losgehen – und wirklich schauen, wer da unterwegs ist.
  • Radwege bewusst wahrnehmen und nicht als „Verlängerung des Gehwegs“ nutzen.
  • Bei Kindern: Vorleben, dass man an Straßen stehen bleibt, schaut, dann geht – nicht einfach „mitlaufen“.
  • Signalisieren: „Ich warte noch“ – durch deutlichen Stand am Bordstein oder einen kleinen Handstopp.

Für Autofahrende

  • Tempo reduzieren, wo Fuß- und Radverkehr sich mischen (Schulwege, Wohngebiete, Innenstädte).
  • Beim Abbiegen bewusst: Erst Spiegel, dann Schulterblick, dann Rollen – nicht alles gleichzeitig im Eiltempo.
  • Nicht „auf Lücke fahren“, wenn Radfahrer:innen oder Fußgänger:innen erkennbar unsicher sind.
  • Fehler anderer nicht persönlich nehmen – lieber einen Moment Luft holen, statt zu hupen.

Gemeinsam unterwegs – auch im Norden

Ob im Berufsverkehr in Kiel, bei einer Radtour Richtung Ostsee oder auf den Wegen durch Kronshagen:
Der Straßenverkehr funktioniert nur gut, wenn alle einander wahrnehmen, ein Stück Verantwortung übernehmen und manchmal auch nachgeben, obwohl sie im Recht wären.

Bei uns in den Läden erleben wir in der Beratung und in der Werkstatt immer wieder, wie wichtig dieses Miteinander ist – gerade für Menschen, die wieder mehr mit dem Fahrrad unterwegs sein wollen, sich aber unsiche.

weitere Quelle: Achtsamkeit und Aggression

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